Der liturgische Jahresübergang in der Klosterkirche


Es hat in Bebenhausen lange einen traditionellen Gottesdienst in der Silvesternacht gegeben, der allerdings Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts eingestellt wurde. Zuletzt waren kaum noch Besucher gekommen und alle Beteiligten litten unter den winterlichen Temperaturen in der naturtemperierten Klosterkirche. Übrig blieb zunächst das Einläuten des neuen Jahres, das schließlich jedoch nur noch als Privatinitiative und zuletzt gar nicht mehr durchgeführt wurde.

Eine andere Milleniumsfeier

Der liturgische Jahresübergang in der Klosterkirche in seiner heutigen Gestalt geht auf die Millenniumsnacht, also den Jahresübergang 1999/2000 zurück. Rund um die Welt und landauf, landab waren damals Millenniumsfeiern und -parties angesagt, der Sekt sollte in Strömen fließen, die großartigsten Feuerwerke das neue Jahrtausend begrüßen.

„Kann das wirklich alles sein?“, fragten wir uns in Bebenhausen – und planten unseren eigenen Start ins 21. Jahrhundert: eben mit dem liturgischen Jahresübergang.

 Bewusst schlicht sollte er gehalten sein und kurz – in Anbetracht der schon erwähnten Temperaturen um den Gefrierpunkt. Unter dem Motto „Unsere Zeit in Gottes Händen“ wurde die letzte halbe Stunde des alten Jahres gefüllt mit Lesungen, Gebet, leiser Instrumentalmusik und liturgischen Liedern, v.a. aus der Tradition von Taizé. In den letzten Minuten herrschte Stille, die jeder und jedem Gelegenheit gab, das Vergangene für sich noch einmal Revue passieren zu lassen, sich auf das Kommende auszurichten und beides im stillen Gebet vor Gott zu bringen.

Auch die wenigen verfrühten Böller draußen konnten die andächtige Stille im Kirchenraum nicht stören, ehe dann der 12-Uhr-Glockenschlag um Mitternacht den Anbruch des neuen Jahrs signalisierte. Dies war zugleich der Auftakt zum gemeinsamen Einläuten des neuen Jahres mit allen vier Glocken. Ein Läuteteam aus Bebenhausen machte den Anfang, doch auch die Gottesdienstbesucher, die dazu eingeladen waren, beteiligten sich gern und ausdauernd an dieser für die meisten eher ungewohnten Aktivität, sodass aus den vorgesehenen 12 Minuten Läuten schnell eine Viertelstunde wurde.

Die Reaktion auf dieses Angebot und auf den Abend war überwältigend. Der Besucherandrang war groß und signalisierte ein Bedürfnis nach einem anderen – leisen, spirituellen – Jahresübergang, jenseits von Sekt und Feuerwerk. Der Kirchengemeinderat beschloss daraufhin, diese ursprünglich als einmalige Aktion geplante Form des Jahresübergangs fortzusetzen.

Der Zuspruch hat seither – wenn nicht extreme winterliche Straßenverhältnisse dem entgegenstehen – eher noch zugenommen. Aus ganz Tübingen und sogar der weiteren Umgebung kommen die Besucher.

Menschen, die im vorhergehenden Jahr Schweres erlebt haben: einen Angehörigen verloren, sich mit Arbeitslosigkeit arrangieren mussten, aber auch solche, die vor oder nach wichtigen Lebensabschnitten stehen – sie alle suchen diesen Moment des besonders gestalteten Jahreswechsels, genießen die Gemeinschaft beim Läuten und freuen sich an den herzlichen Neujahrswünschen, die sich die Anwesenden gegenseitig zusprechen.

Hannelore Jahr 

Zurück zu Liturgische Feiern   

Zum Seitenanfang