Die Orgeln in der
Klosterkirche Bebenhausen

Die Anfänge

Das Kloster Bebenhausen kam erst längere Zeit nach seiner 1560 erfolgten Umwandlung in eine evangelische Klosterschule zu einer Orgel. Am 1. Oktober 1622 bat Abt Johannes Magirus um eine solche, denn „bei E.F. Durchlaucht hohen Klosterschul zu Bebenhausen ist gleichwohl die Vocal- und Instrumentalmusic ziemlich bestellt, allein es hat bishero an einem Orgelwerklen in der Kirch ermangelet. Darüber sind die Fremden, so das Closter zu besuchen, jeweilen allher kommen, umb etwas verwundert. Bei andern dero Clöster, da es Schulen hat, Orgeln verordnet worden sind“.

Im Dezember 1622 wurde Jacob Ganßer, Orgelmacher und Bürger zu Cannstatt, gebeten, einen Kostenvoranschlag für eine Orgel zu erstellen. Wenn es auch hohe Kosten verursache, so sei es aber doch zur Ehre Gottes und man erwarte die herzogliche Resolution, ob damit „fürgefahren“ (fortgefahren) werden könne.

Der aus dem Schwarzwald stammende Orgelmacher Ganßer „will die Orgel des Handwerkszeugs und der Materialien wegen in seiner Werkstatt zu Canstatt verfertigen“. Er versicherte, dieses Werk mit „Zinn, eichen und tännin Holz, Leim, Leder, Pergament, Messing, Eisendraht, eisernen Winkelhaken und Schrauben zu guter Währschaft und wie es der Kirch wohl ansteht, zu machen, dieweil die Materialia bei dem Closter nicht zugegen“ sind. An Kosten entstanden für die Orgel 650 Gulden, dazu kamen Ausgaben für Empore und Stiege, für den Schlosser, für den Maler usw. Gesamtkosten: 975 Gulden. Der Transport von Cannstatt nach Bebenhausen ging auf des Klosters Kosten, die Aufstellung erfolgte im Chor.

Die Orgelabnahme fand im April 1623 durch den berühmten blinden Orgelbauer Konrad Schott und den herzoglichen Baumeister Heinrich Schickhardt statt: „Die Register eins bis drei (Prinzipal 8´, Gedeckt 4´ und Posaune) sind von Eichenholz, Register vier (Quint) ist von dünnem Holz und die Register fünf bis sieben (Prinzipal 4´, Super-Oktav und vierfache Mixtur) sind aus Zinn“. Schickhardt fand den Bau einer Empore im Chor trotz dadurch verursachter Verteuerung für notwendig. Mehr ist von dieser ersten Orgel in Bebenhausen nicht bekannt.

Ein Positiv (kleine Orgel ohne Pedal), das im Tübinger evangelisch-theologischen Stift stand, kam vor 1660 nach Bebenhausen und der Klosterverwalter bat, „das jetzt schadhafte Stück durch einen geschickten Orgelmacher in des Closters Kosten herrichten zu lassen“, was auch genehmigt wurde.

Abt Johann Konrad Zeller berichtete 1671 nach Stuttgart: „Bey unserer Klosterkirche mangelt eine Orgel, deren man zur Führung der Music höchst benötigt ist, denn wann Alumni (Klosterschüler) aus den niederen Clöstern hierhero in das hohe promovirt werden, haben sie gemeiniglich ihre Stimme schon mutiert...., da denn solche Stimmen mit Orgeln, Geigen und anderen Instrumenten müssen ersetzt werden. Das schlechte Positivlin hat sich durch Älte und langen Gebrauch also abgenossen, daß es nicht mehr zu gebrauchen ist.“

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Die Fesenbeckh-Orgel von 1672
im Chor der Kirche

Schon im folgenden Jahr ersuchte man Orgelmacher J.J. Fesenbeckh aus Tübingen, einen „Abriß und Überschlag“ für eine neue Orgel einzureichen. Der Orgelbauer Fesenbeckh äußerte sich am 10. November 1672 so: „Nachdem mir ein Orgelwerklin in die Kirch zu machen verdingt worden, hab ich solches dergestalten verfertigt, zu Stande gerichtet und allda aufgesetzt, daß es sich sehr wohl sehen und hören lassen, auch die Prob solchermaßen halten wird. Weil dieß aber zu gering mit 155 Gulden oder 100 Reichsthaler angesetzt bey dießer teuren Zeit, ich mit Weib und Kindern darüber in ziemlichen Nachtheil gekommen bin, bitte ich um Frucht, Wein und Holz.“

Fesenbeckhs Orgel wurde erst 1688, als sie „ganz dunkel und häßlich aussieht und der Kirch wenig ansehen gibt und gegen andere Closterkirchen ein wenig hüpsches zusehen“ hat, durch den Tübinger Maler Johann Georg Dramburg (Dromburger) „illuminiert“. Sie hatte über dem Klavier zwei Flügel (ähnlich Altarflügeln), welche die Verkündigung Mariens, die Hirten auf dem Felde, die Geburt Christi und die Hl. Drei Könige zeigten und auf zwei unteren Tafeln musizierende Engel. Die Gitter vor und neben der Orgel waren grün gestrichen, die Leisten vergoldet.

Um 1777 fand der Gottesdienst – wie in Maulbronn – je nach Jahreszeit in zwei verschiedenen Räumen statt: In der „Sommerkirche“, der alten Klosterkirche, und in der „Winterkirche“, dem Speisesaal (heute Blauer Saal) im Erdgeschoß des Herrenhauses.

Über den Hersteller und das Baujahr der Orgel in dieser Winterkirche, die sechs Register hatte, ist nichts bekannt. Im Jahr 1778 litt sie unter einem Wolkenbruch schweren Schaden und 1779 ist zu lesen: „Die Orgel ist sehr alt, aber von einem überaus guten Meister verfertigt. Sie hatte anfänglich nur ein Stech-Clavir, hernach aber ist sie vermutlich zweymal abgeändert worden, sodaß der Organist ein Kästlein, worinnen das Clavir liegt, vor sich, den Orgelkasten auf dem Rücken und die Pfeifen samt der Windlade über sich hat.“ Um 1800 ist „das Orgelchen“ nach Dettenhausen verkauft worden.

Der Bebenhäuser Schultheiß Imhof (wohnhaft im heutigen Haus Huber) stiftete dann 1846 eine Orgel in die Winterkirche, „in der mehrere Jahre der Gesang ohne Orgel in der kleinen Gemeinde nicht übel geht“.

1869 wurde der Winterkirchen-Saal „in einen Speisesaal für das nun Jagdschloß gewordene Kloster umgewandelt und dabei die fast wertlose Orgel von 1846 entfernt“. Der Gottesdienst wurde dann von 1869 bis 1885 in das Schullokal im Westflügel (über dem Winterrefektorium) verlegt, „wozu S.M. König Karl ein Harmonium stiftete“.

In der heutigen „Winterkirche“, dem Gemeindesaal im Rathaus, steht ein Positiv der Firma Hofbaur. Es wurde vor nahezu 20 Jahren von Erika Pfeiffer, unserer blinden Organistin, bei der Göttinger Firma selbst ausgesucht.

Doch nun zurück zur Kloster- oder Sommerkirche:

Die von Fesenbeckh 1672 errichtete Orgel wurde 1776 durch den Bebenhäuser Speisemeister Memminger, „der dieser Arbeit genugsam kundig“, repariert und gereinigt.; weitere Ausbesserungen und Säuberungen erfolgten 1786 und 1794.

Im Kaufbrief für die Bebenhäuser Gemeinde von 1823 wurde unter § 4 „Kult- und Schul-Kosten“ festgelegt, daß diese Orgel in den Besitz der neugegründeten bürgerlichen Gemeinde übergeht.

Nach einem Pfarrbericht von 1828 „steht die schöne, sehr alte Orgel im Chor hinter dem Altar, ein mittelmäßiges Werk mit sechs Registern und zwei Blasbälgen zum Treten“. Das Organisten- und Vorsängeramt ist mit dem Schulmeisteramt verbunden, für jeden kirchlichen Akt ist ein Maß Wein zu geben, jährlich zusammen sieben bis acht Imi Wein. Der Orgeltreter erhielt damals jährlich vier Gulden.


 

Die Walcker-Orgel von 1885
(Aufnahme von ca. 1960)

Um das Kloster vor dem weiteren Verfall zu bewahren, leitete König Wilhelm I. ab 1850 erste Restaurierungen ein. An der Klosterkirche wurden zunächst der Dachreiter und das Chorfenster restauriert. Unter König Karl erfolgte dann eine umfassende Restaurierung der Kirche. Die von der Gemeinde im Jahr 1823 erworbene Orgel, die im Chor hinter dem Altar stand, mußte weichen. Dort wurde der kleine, in den Friedhof hineinreichende Anbau entfernt und das Chorfenster nach unten verlängert. Im Langhaus wurde eine neue Empore für eine Orgel eingebaut. Bei der feierlichen Einweihung der Klosterkirche am 6. März 1885, dem 62. Geburtstag von König Karl, erklang von dort erstmals die vom König gestiftete Orgel des Ludwigsburger Orgelbauers Walcker. Das einmanualige Instrument hatte sechs Register und erklang in unserer Klosterkirche bis zum Jahr 1970.

 

Eine Hörprobe aus dem Jahr 1969, gespielt von der blinden Organistin Erika Pfeiffer. Mit freundlicher Unterstützung von Familie Ottmann

 

 


 

Die Oesterle-Orgel von 1970
(Aufnahme: Ursula Stöffler)

In der Gemeinde wurde um 1960 der Wunsch nach einer neuen Orgel immer lauter, denn das alte Instrument war morsch und immer wieder traten an seiner hölzernen Mechanik Mängel auf.

1968 beschloß dann der Kirchengemeinderat, bei Kurt Oesterle in Reichenbach/Fils ein neues Instrument zu bestellen. Seit Jahren bereits wurde in den Gottesdiensten für diese Neuanschaffung geopfert. Auch die bürgerliche Gemeinde, der im Jahr 1823 die Fesenbeckh-Orgel in der Kirche übertragen wurde, war bereit, sich an den Kosten von rd. 50.000 DM mit 4.000 DM zu beteiligen. Den Ausbau der alten Orgel, der ab 2. Januar 1970 erfolgte, begleiteten viele Bebenhäuser mit Wehmut. Der Einbau der neuen Orgel ging dann Hand in Hand mit der Außenrenovierung der Kirche, die vom Staatlichen Hochbauamt I in Tübingen durchgeführt wurde.

Vor der Einweihung der neuen Orgel wurde auch der Kirchenraum gründlich gereinigt. Oberlehrer Reinhold Sinn, damals Kirchenpfleger, schrieb: „In der

letzten Woche vor der Orgeleinweihung waren wir in großer Not, ob die Zeit reichen würde, die Kirche in Sauberkeit zu zeigen, daß sie auch zur schönen neuen Orgel paßt. Doch am Donnerstag vor der Einweihung erschienen die Feuerwehrleute mit einer Auszugsleiter und fegten die vielen Spinnengewebe aus großer Höhe herunter. Ich hatte manchmal Angst, wenn Karl Rilling hoch in der Leiter, mit einem Bein eingehakt in einer Sprosse, die 5-6 Meter lange Stange – vorne ein Sorgobesen befestigt – schwang und die Spinnengewebe herunter auf den Boden kehrte. Es ging alles gut, denn unten hielten 2-3 Mann die Leiter, daß sie immer fest blieb. Auch der Bürgermeister griff kräftig zu.....Das zugedachte Vesper schlugen alle aus, als Spende für die neue Orgel.“

In einem auf Loben und Danken abgestimmten Festgottesdienst erklang die neue Orgel am 1. August 1970 zum ersten Mal. Sie hat zwei Manuale, zwölf Register und einen Tonumfang von sieben Oktaven. Ihre 818 Pfeifen haben eine Länge von sechs Millimetern bis 2,5 Meter. Da die Orgel in zwei separaten Gehäusen untergebracht ist, kann man nun auch wieder das gotische Westfenster sehen, das von der alten Orgel teilweise verdeckt war.

Diese Orgel erklingt nun bereits seit 32 Jahren in unserer Kirche und begleitet uns in Freud und Leid. Ihr schöner Klang wird uns und die, die nach uns kommen, sicher noch lange erfreuen - denn es ist die erste Orgel in unserer Kirche, die regelmäßig gewartet wird.

Hans Haug

Das Organistenamt in Bebenhausen wurde bis in den Zweiten Weltkrieg hinein von den Lehrern an der Bebenhäuser Schule ausgeübt. Anschließend wurde es über vierzig Jahre lang sehr pflichtbewusst von der blinden Organistin Erika Pfeiffer übernommen. Frau Pfeiffer starb im Jahre 1993.

 

 

 

 

 

 

 

 Erika Pfeiffer, Sept. 1983

 

Eine Hörprobe aus dem Jahr 1970, gespielt von der blinden Organistin Erika Pfeiffer.Mit freundlicher Unterstützung von Familie Ottmann

Quellen:
Friedrich Jakob „Die Orgel“
Rainer Hermann „Eine Orgel macht noch keinen Sommer“
Gotthilf Kleemann „Von ehemaligen Orgeln im Kloster Bebenhausen“
Rainer Y „Schloß Bebenhausen“
Georg Weise, „Cistercienserkloster Bebenhausen“
Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Staatsarchiv Sigmaringen
Gemeindearchiv Bebenhausen
Hörproben: Mit freundlicher Unterstützung von Familie Ottmann

 


 Orgelausreinigung 2017

Von Osterdienstag bis Pfingsten 2017 schwieg die Österle-Orgel in der Klosterkirche. Ihre Ausreinigung war in vollem Gange. Das Pfeifenwerk war ausgebaut und auf der gesamten Empore ausgelegt, einige Bestandteile hatte Orgelbaumeister Andreas Schmutz aus Donnstetten in seine Werk­statt mitgenommen, um sie dort zu über­arbeiten. Ausreinigung bedeutete aber nicht nur, dass jede einzelne der fast 900 Pfei­ffen herausgenommen und gereinigt wurde. Auch alle Wind (das heißt Luft) führenden Kammern und Kanäle wurden durchgepus­tet und wo nötig wieder abgedichtet. Die Traktur, also die komplizierte Verbindung zwischen den Tasten und den Ventilen unterhalb der Pfeifen, unterliegt wie jede Mechanik natürlich einem gewissen Verschleiß und wurde ebenfalls durchgesehen und wieder gerichtet. Beispielsweise wurde das Spielgeräusch der Pedaltasten durch eine neue Belederung reduziert, was man nachher sicher unter der Orgelempore hören (oder eben nicht mehr hören) kann. Eine Ausreinigung ist alle 20 bis 25 Jahre erforderlich.

Bei der diesmaligen Ausreinigung wurden zwei klangliche Verbesserungen vorgese­hen, durch die der Organist bei den beste­henden zwölf Registern zwei zusätzliche Möglichkeiten in seine Klang­auswahl einbeziehen kann.

In der Bilderstrecke können Sie sich einen Eindruck von den sehr umfangreichen und anspruchsvollen Arbeiten machen. Die interessanten Bilder bieten darüber hinaus einen seltenen Blick in das Innere der "Königin der Instrumente".
Wir bedanken uns bei Orgelbaumeister Schmutz für die Überlassung der Bilder.

 

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