Die Reformation und der Bauernkrieg
„Im Jahre (...) 1525, an den Iden des Mai (...), fand auf dem Goldberg, der zwischen den Städten Böblingen und Sindelfingen (...) gelegen ist, (...) eine höchst beklagenswerte Schlacht statt zwischen dem bäuerlichen Volke, das aus dem ganzen württembergischen Lande dort zusammengebracht worden war, auf der einen, und ihren Herren und verbündeten Fürsten (...) auf der gegnerischen Seite. Nachdem aber die Reiter des Schwäbischen Bundes auf die feindliche Partei losgestürmt waren und sie (...) in die Flucht geschlagen hatten, wurde ein großer Teil von ihnen gefangen genommen, die übrigen auf der Stelle von den Feinden getötet; die Überlebenden aber (...) erkauften, von der Flucht endlich unverletzt zurückkehrend, wegen Abfalls von ihren Herren, denen sie untertan waren, um Geld das Leben.“ Soweit die Zusammenfassung des damaligen Sindelfinger Stadtschreibers Thomas Bechlin über die süddeutsche Entscheidungsschlacht im Bauernkrieg am 12. Mai 1525. Die Schätzungen über die Zahl der getöteten Bauern schwanken zwischen 2000 und 9000, die auf Seiten des Schwäbischen Bundes unter Führung des als „Bauernjörg“ in die Geschichte eingegangenen Truchsess Georg von Waldburg ihr Leben ließen. Obwohl die Bauern mit über 10.000 Mann das größere Heer aufgeboten hatten (Georg befehligte 6000 Landsknechte und 1200 Berittene), war es ein ungleicher Kampf: Die ungleiche Bewaffnung, die militärische Unerfahrenheit gegenüber einem Söldnerheer und die Uneinigkeit unter dem Bauernhaufen selbst machte die Niederlage erklärlich. Mit ihr fand die Erhebung der Bauern in Württemberg ihr Ende, wenige Tage später auch in Thüringen mit der Enthauptung Thomas Müntzers am 27. Mai.
Wie aber hatte alles angefangen? Bereits 1514 hatten sich in Württemberg die Remstäler Bauern des „Armen Konrad“ für mehr politische Rechte gegen ihre Herren erhoben. Auch im Bauernkrieg 1525 ging es weniger um eine Erhebung aus wirtschaftlicher Not, als um die Einforderung der den Bauern vorenthaltenen Rechte. Nachdem die Ideen der Reformation Luthers durch Flugschriften in ganz Deutschland Aufnahme gefunden hatten, stellte sich für viele die Frage, ob die „Freiheit eines Christenmenschen“ nicht auch im politischen Raum Konsequenzen haben müsse. In Mitteldeutschland wurde Thomas Müntzer zum Vorkämpfer für ein Gottes-
reich auf Erden, in dem Gerechtigkeit und Gleichheit aller Menschen auch politisch umgesetzt sein sollen. Müntzer, zunächst ein Anhänger Luthers, prangerte diesen bald darauf als das „geistlos sanfft lebend Fleisch zu Wittenberg“ an. Nicht weniger hart ging er mit den Fürsten ins Gericht. Luther hatte zunächst versucht, mit seiner „Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben“ zwischen den Bauern und ihren Herren zu vermitteln, war aber kurz darauf auf die Fürstenseite „wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“ umgeschwenkt und hatte nicht nur gegen Müntzer als den „Erzteufel der zu Mühlhausen regiert und nichts als Raub, Mord, Blutver gießen anrichtet“ vom Leder gezogen, sondern auch die Fürsten aufgefordert: „Darum, liebe Herren, erlöset hier, rettet hier, helft hier, erbarmt euch der armen Menschen: steche, schlage, töte hier, wer kann.“ Die Bauern in Schwaben hatten mit ihren „Zwölf Artikeln“ (entstanden im März 1525 in Memmingen) zunächst friedlich versucht, ihre Rechte einzuklagen. Erst als sowohl die kirchlichen wie die weltlichen Herren in Oberschwaben nicht bereit waren, mit ihnen darüber zu verhandeln, kam es zu Übergriffen auf Klöster und Burgen und infolgedessen auch zur Konfrontation mit dem Schwäbischen Bund, dem 1488 gegründeten Bündnis von Fürsten, Reichsstädten, Reichsrittern und Reichsklöstern in Schwaben zur Sicherung des Landfriedens.
In Württemberg war die Situation insofern noch komplizierter, als der wegen Mordes aus seinem Land verbannte Herzog Ulrich versuchte, die Bauernerhebung zu seinen Gunsten gegen die habsburgischen Statthalter in Stuttgart zu instrumentalisieren. So gab es in Württemberg sowohl „altgläubige“, mit den Habsburgern sympathisierende Bauern als auch solche, die auf die Rückkehr Ulrichs, der sich inzwischen der Reformation angeschlossen hatte, hofften. Trotzdem waren sie sich zunächst in der Verfolgung ihrer Ziele auf der Grundlage der zwölf Artikel einig. Diese Artikel waren in ihren Aussagen auf die Bibel gegründet und haben mit der Wahl der Pfarrer durch die Gemeinde, der Ablehnung der Leibeigenschaft bis hin zur Forderung nach unabhängigen Gerichten Rechte formuliert, die heute selbstverständlich sind.
Reinhardt Seibert