Jochen Klepper

Die Nacht ist vorgedrungen

In unserer Serie „Schön, wenn man das auswen­dig kann“ finden Sie in diesem Gemeindebrief drei Strophen aus Jochen Kleppers Adventslied „Die Nacht ist vorgedrungen“. *) Mich hat dieses Lied mit der Melodie von Johannes Petzold schon als Jugendlicher berührt. Die Worte sind klar und verständlich, nicht theologisch geschraubt und nicht mit einem Zuckerguss überzogen. Sie haben Kraft und strahlen Zuversicht aus:

„Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern. So sei nun Lob gesungen dem hellen Morgenstern!“

Gleichzeitig nehmen sie die dunklen Sei­ten des Lebens sehr offen in den Blick:

„Auch, wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein.

Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein.“

Das sind Worte, in denen ich mich in meinen Hoffnungen, aber auch in meinen Ängsten wiederfinden kann.

Wer war der Mann, der diese Zeilen gedichtet hat? Es lohnt sich, dem nachzugehen.

Jochen Klepper wurde 1903 in Schlesien geboren. Er wuchs in einem Pfarrhaus auf und studierte später Theologie. Der künstlerisch begabte junge Mann mit zeitlebens labiler Gesundheit brach sein Studium ab und arbeitete, teilweise sehr erfolg­reich, als Journalist und Schriftsteller. 1931 heira­tete er die Witwe Johanna Stein, eine Jüdin, die zwei Töchter mit in die Ehe brachte. Die Ehe brachte Klepper bald in Konflikt mit dem verbre­cherischen, nationalsozialistischen Regime und dessen Rassenwahn. Klepper wurde aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen, was einem Berufsverbot gleichkam. Viele Freunde rieten ihm zur Emigration. Klepper hatte die Mög­lichkeit, sich und seine Familie in Sicherheit zu bringen. Er zögerte lange, zu lange: er konnte sich nicht vorstellen, außerhalb Deutschlands zu leben und zu arbeiten und war, wie viele aus der bürgerlichen Schicht, sehr deutschnational eingestellt. Zudem ließ ihn eine verhängnisvoll verkürzte, lutherische Theologie alle Obrigkeit als von Gott gewollt ansehen. Jochen Klepper hoffte, fast an Naivität grenzend, dass es nicht zum Schlimmsten kommen würde, obwohl er besser über das ver­brecherische Nazisystem informiert war als viele seiner Zeitgenossen. Die Schlinge zog sich immer weiter zu. Am 10. Dezember 1942 sah er keinen anderen Ausweg, als sich zusammen mit seiner Frau Hanni und seiner Tochter Renate das Leben zu nehmen.

Es wäre leicht, aus sicherer Distanz zu urteilen. Aber das verbietet sich für einen Nachgeborenen, der politische Repression und Staatsterror, Gott sei Dank, nur aus Büchern kennt.

Jochen Klepper war ein Mensch, der in aller Schwachheit dennoch Standver­mögen bewies im Blick auf die Liebe zu seiner Familie, zu der er bis zuletzt stand. Er wusste um die tiefe Not, in die Men­schen kommen können, und woher ihm allein Hilfe kommt. Vielleicht macht das die Kraft sei­ner Lieder aus. Ein Zitat von seinem Zeitgenossen Dietrich Bonhoeffer drückt dies schön aus: “Es gibt eine Freude, die von Schmerz, Not und Angst des Herzens gar nichts weiß; sie hat keinen Be­stand, .... Die Freude Gottes ist durch die Armut der Krippe und die Not des Kreuzes gegangen; darum ist sie unüberwindlich und unwiderleglich. Sie leugnet nicht die Not, wo sie da ist, aber sie findet mitten in ihr, Gott. ... Um diese Freude, die überwunden hat, geht es. Sie allein ist glaubwür­dig, sie allein hilft und heilt.“

Diese Freude, die von Gott kommt, wünsche ich Ihnen in dieser Advents- und Weihnachtszeit. Mit den Worten von Jochen Klepper: „Beglänzt von seinem Lichte hält euch kein Dunkel mehr. Von Gottes Angesichte kommt euch die Rettung her.“

Manfred Harm 

*) Aus dem Gesangbuch der Evangelischen Landeskirche in Württemberg

 

Zurück zur Archive-Auswahl

Zurück zu Infos K

Zum Seitenanfang