Das Ende einer Irrfahrt
Fünf Tafelbilder kehren aus dem Uni-Depot
nach Bebenhausen zurück

Zum Bebenhäuser Jubiläum 1987 hatte die dortige Ortsvorsteherin Barbara Scholkmann bereits fünf kleinere Bilder mit belehrenden, emblematischen Darstellungen aus dem ehemaligen Bestand der Klo­sterkirche aufgetan. Seit dieser Zeit äußerte Hans Haug, der Sohn des ehemaligen Schloßverwalters, der in' den fünfziger Jahren schon als Zwölfjähriger Führungen durch das Kloster leitete, mehrmals die Ver­mutung, „daß es noch weitere Bil­der geben muß, die damals im Kapi­telsaal standen". Schließlich hatte er die Besucher oft genug vor einen dort am Boden stehenden langen Block von fünf zusammenhängen­den großformatigen Holzbildern ge­führt.

Während Scholkmann und Haug von Bebenhausen aus noch nach den Bildern fahndeten, unternahm Anette Michels, die Kustodin des Kunsthistorischen Seminars, die auch die Gemäldesammlung der Universität betreut, zu Anfang des Jahres 1991 eine genaue Sichtung der Bestände des Uni-Depots. Da­bei stieß sie auf fünf einzelne Bilder mit religiösen Darstellungen, deren Herkunft und Hersteller unbekannt waren. Als ihre Recherchen zu kei­nem Ergebnis führten, wandte sie sich an das Bebenhäuser Landes­denkmalamt.

Scholkmann vermutete sofort einen Zusammenhang mit den Bil­dern von 1987. Zu Beginn dieses Jahres kam dann auch Hans Haug in das Uni-Depot und konnte die Bilder eindeutig identifizieren. So gesellte sich Erinnerung zu Wissen und führte zur Erkenntnis: Bei den fünf Tafelbildern handelt es sich um die zerlegte Empore aus der Beben­häuser Klosterkirche.

Anders als im Fall der emblemati­schen Bilder beim 87er-Fund fehlt für die jetzt wiederentdeckten naiv-religiösen Bilder jeder Hinweis in der einschlägigen Literatur. Einzig ein Foto aus den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts zeigt, daß es eine bebilderte hölzerne Herr­schaftsempore gegeben hat. Und erst kürzlich wurde eine Beschrei­bung der Gemälde in der nie publi­zierten Monumenta Bebenhusana des Jakob David Essig von 1744 ge­funden. Damit schloß sich die Indi­zienkette und die Stationen der Odyssee konnten nun nachvollzo­gen werden.

Bei der Renovierung der Kloster­kirche am Ende der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurde die Em­pore abgebaut. Die Bilderfront stand danach bis in die fünfziger Jahre dieses Jahrhunderts unbeach­tet und in schlechtem Zustand im Kapitelsaal des Klosters herum, bis der ehemalige Landeskonservator Adolf Rieth ihre Restaurierung anregte. 1958 kamen die wieder herge­richteten Bilder, die mittlerweile einzeln herausgelöst worden waren und eigene Rahmungen erhalten hatten, in die Schloßkapelle von Hohentübingen.

Während der Renovierungsarbei­ten am Schloß in den siebziger Jah­ren wurden sie ausgelagert und in das Magazin der Universität ge­bracht. Michels fand bei ihrer Sich­tung der Bestände allerdings keinen Hinweis an den Bildern: weder auf den ursprünglichen noch auf den vorübergehenden Standort. Durch diese Unterlassung war die wirkli­che Herkunft der Holzgemälde ver­dunkelt.

Bei Gesprächen zwischen Univer­sitätsleitung, Landesdenkmalamt und der evangelisch-theologischen Fakultät, die sich vorübergehend als Besitzerin wähnte, wurde ein­mütig die Heimkehr der verlorenen Bilder beschlossen. Am gestrigen Sonntag übergab Barbara Scholk­mann beim ersten Gottesdienst des neuen Bebenhäuser Pfarrers Hein­rich Braunschweiger in der Kloster­kirche die Bilder. Wo die Gemälde aufgehängt werden sollen, ist aller­dings noch unklar, denn die großen dunklen Holzbilder, die künstle­risch nicht gerade von besonderem Rang sind, fügen sich nicht ohne weiteres mehr in die klare Kontur der heutigen Kirche.

Vielleicht geht die Schnitzeljagd nach den Kleinoden der Klosterkir­che noch weiter. Hans Haug erin­nert sich nämlich noch, daß auch noch einige kleinere Epitaphien aus dem 17. und 18. Jahrhundert fehlen. Eines zeige Jonas, der von einem Walfisch verschluckt wurde.

 

 

 

Vermutlich in dieser Reihenfolge konnte der barocke Betrachter die Bilder aus dem Leben Jesu auf der Emporenbrüstung beim Besuch der Bebenhäuser Klosterkirche „lesen“. Für diese Anordnung spricht eine Beschreibung der Empore von Jakob David Essig aus dem Jahr 1744. Weder Stifter noch Maler der naiv-christlichen Gemälde sind bislang bekannt. Die direkt auf Holz gemalten Darstellungen sind bei der Restaurierung in den fünfziger Jahren in einzelne Tafelbilder zerlegt und mit dunklen Leisten gerahmt worden. Die belehrende Zusammenstellung von Bild und Sinnspruch sprich für den im weiteren Sinn emblematischen Charakter der Tafeln, auch wenn hier christologische Themen im Vordergrund stehen. Im Rahmen eines Gottesdienstes kehrten die Bilder nach langer Irrfahrt wieder in die Klosterkirche und damit in Landesbesitz zurück. Das Staatliche Liegenschaftsamt Tübingen ist deshalb fürderhin für das Schicksal der lange verschollenen Tafelbilder verantwortlich.

Quellenangaben 2)
Bilder: Berardi

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