Die Dorfbewohner
von Bebenhausen

Eine Zeitreise vom
Beginn der Klosterzeit
bis heute von Hans Haug


Unter dem Schutz des Abtes

Die Klosterzeit

Unter den Dörfern Württembergs ist das Klosterdorf Bebenhausen, anders als andere Dörfer, etwas Besonderes, eine Ausnahmeerscheinung. Während die Dörfer unseres Landes früher bäuerlich geprägt waren, gab es im Klosterdorf Bebenhausen bis um 1850, also über 600 Jahre, keinen Bewohner mit der Berufsbezeichnung „Bauer“.

Bereits in den Anfängen des Klosters um das Jahr 1200 entstand um das Kloster herum ein Dorf. In ihm lebten und arbeiteten neben den Mönchen, Konversen und Pfründnern die für den Betrieb und Unterhalt des Klosters notwendigen Angestellten, hauptsächlich Handwerker. Auch die umfangreichen Besitzungen des Klosters wurden von Handwerkern aus Bebenhausen mit betreut, und an den Steinen so mancher Kirche in den umliegenden Dörfern finden sich Zeichen der Bebenhäuser Steinmetze. Produkte aus seiner Ziegelei und seiner Glashütte fanden auch außerhalb der Klosterbesitzungen Abnehmer. Die Angestellten waren dem Abt unterstellt und wurden vom Klosterverwalter beaufsichtigt.

Ob heute – trotz der Umwälzungen in der Reformationszeit und im Dreißigjährigen Krieg – noch Nachfahren dieser Klosterangestellten im Dorf leben, kann nicht ganz ausgeschlossen werden. Dafür spricht, dass im Dorf eine Begebenheit aus dem frühen 15. Jahrhundert mündlich überliefert ist, welche die alteingesessenen Bewohner bis heute beschäftigt:

Die Geschichte vom „Roten Mönch“, „ain münch von Bebenhausen, den man den roten münch genempt hat“ (Zimmersche Chronik). Vom Bebenhäuser Abt wurde er gegen seinen Willen nach Frauenzimmern entsandt zur geistlichen Betreuung der dortigen Nonnen, für die Bebenhausen das Patronat übernommen hatte. Noch heute wird darüber gerätselt, weshalb sich der Mönch damals weigerte, diese Nonnen zu betreuen. Und bis heute soll er zu bestimmten Zeiten nach Bebenhausen zurückkommen, um hier in der Klosterkirche lateinisch zu beten. Dabei soll er in den Jahren 1830 und 1876 von Dorfbewohnerinnen gesehen und gehört worden sein. Auch Philipp Fürst zu Eulenburg, der in den Jahren 1891bis1893 mehrmals in Bebenhausen weilte, beschäftigte sich damals mit dem Mönch und erwähnt ihn in seinen Erinnerungen. Königin Charlottes Hofdame, Baronin Elsa von Falkenstein, bemerkt dazu 1963 in einem Brief an Charlottes Schwester, Herzogin Adelheid von Sachsen-Altenburg: „Ich glaube, dass Onkel Phili (Philipp Fürst zu Eulenburg) seine Memoiren unterhaltend gestalten wollte und diese Geschichte erzählt, die er gewiss auch mit der geliebten Königin besprochen hatte.“

Wie behutsam man aber mit überlieferten Geschichten umgehen sollte, zeigt die Geschichte vom Heiligen Gisbert von Bebenhausen. Erstmals erscheint dieser in Mailand 1598 in einer Chronik als „S. Guiseberto Priore in Brebusen“. Da es ein Kloster mit dem Namen Brebusen nie gab, wurde Gisbert in späteren Werken als „Gisbert von Bebenhausen“ geführt. Und in einem im Jahr 2008 neu herausgegebenen „Namenstagskalender“ findet sich zum Gedenktag 7. November dieser Eintrag: „Gisbert…lebte als Prior im Zisterzienser-Kloster Bebenhausen um 1200 und soll die Wundergabe besessen haben.“ Doch einen Heiligen Gisbert von Bebenhausen hat es, wie der Historiker Stefan Gerlach nun in einem Forschungsbericht belegt, nie gegeben.


Turbulenzen im Land

Die Reformation

Nach den für das Kloster und seine Angestellten überwiegend guten Zeiten im 14. und 15. Jahrhundert folgten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts Umbrüche, die für das Kloster und das Dorf große Veränderungen mit sich brachten.

Unter Graf Eberhard im Bart war Bebenhausen fester Bestandteil Württembergs geworden, zu dem nun eine enge Beziehung bestand. Graf Eberhard wohnte einer Abtsweihe bei und der Bebenhäuser Abt wurde Firmpate des jungen Ulrich, der als Nachfolger Eberhards 1498 Herzog von Württemberg wurde.

Nachdem Herzog Ulrich 1519 des Landes verwiesen worden war, wurde Württemberg Erzherzog Ferdinand von Österreich übergeben, dem Bruder Kaiser Karls V., der Bebenhausen besonders verbunden war.

1525 folgte der Bauernkrieg, „der ufruhr der pauren schier durch die ganz deutsch nation entstanden, also das solchs vil mer ain plag oder straf gottes …dann ain krieg hat sollen gehaißen werden“ (Zimmersche Chronik). Aus den umliegenden Dörfern fielen Bauern nach Bebenhausen ein, fügten dem Kloster und dem Dorf schwere Schäden zu und hausten dort acht Tage lang „mit Fressen und Sauffen (ebd).

Schließlich eroberte Herzog Ulrich sein Land zurück (1534) und setzte die Reformation durch. Am Weihnachtsfest 1534 verfügte er die Einsetzung lutherischer Prediger in allen Klosterpfarreien. Von den damals 36 Mönchen bekannten sich 18 Mönche sowie zwei Laienbrüder als „alte Chrysten“, also als katholisch, und 18 als Lutheraner. Ihr Abt Johannes von Fridingen erlebte den Wegzug der katholisch gebliebenen Mönche aus Bebenhausen  nicht mehr, er starb am 21. Dezember 1534. (Anm.: Seine Grabplatte steht im Chor der Klosterkirche). Die im Klosterdorf verbliebenen Bewohner mussten den lutherischen Glauben ihres Landesherrn annehmen.


 Evangelisch, katholisch und wieder evangelisch

Die Klosterschule und der Dreißigjährige Krieg

Nach weiteren unruhigen Jahren diente das Kloster ab 1560 als Schule, deren Leiter bis zu ihrer Auflösung 1807 den Titel eines Evangelischen Abtes (Prälaten) führten. In diese Internatsschule wurden Knaben aufgenommen und auf das Studium der evangelischen Theologie an der Universität Tübingen vorbereitet.

Nun, unter der neuen lutherischen Klosterverwaltung, kamen die Bewohner des Klosterdorfs wieder in Arbeit und Brot.

Doch die für die Dorfbewohner gute Zeit unter der neuen lutherischen Obrigkeit währte nur wenige Jahrzehnte. Dann brach auch über das etwas im Windschatten der großen Politik gelegene Klosterdorf der Dreißigjährige Krieg mit dramatischen Folgen herein. Zweimal wurde das Kloster wieder der katholischen Kirche zurückgegeben, und bei ihrem Abzug im Jahr 1648 nahmen die katholischen Zisterziensermönche aus Bebenhausen alles mit was transportierbar war. Über das Schicksal der Dorfbewohner lässt sich sagen, dass nur wenige diese schwere Zeit im Ort überstanden haben.

Doch auf die Katastrophe folgte ein Neuanfang: Schon unmittelbar nach dem Ende des Krieges wurde damit begonnen, die Klostergebäude wieder instand zu setzen. Unter dem neuen evangelischen Abt Johann Valentin Andreä wurden die Klosterschule und die Klosterverwaltung neu aufgebaut. Nun, zwischen 1650 und 1695, kamen als „Klosteroffizianten“ neue Bewohner ins Dorf, deren Nachfahren noch 10% der heutigen Dorfbewohner stellen. Dies erstaunt zunächst, da die Klosteroffizianten kein Wohnrecht in Bebenhausen besaßen und nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienst in ihre Heimatgemeinde zurückehren mussten. Doch in aller Regel übernahm damals der Sohn das Amt vom Vater. So wohnen heute noch Nachfahren des Schmieds, des Küfers, des Schuhmachers und des Schneiders im Dorf.

 


Die Klosterdörfler werden zu Bürgern

Vom Klosterdorf zur Bürgerlichen Gemeinde

Nach 150 für die Dorfbewohner insgesamt guten Jahren änderte sich deren Situation zu Beginn des 19. Jahrhunderts sehr plötzlich: Der jagdbegeisterte (erste) König Friedrich von Württemberg löste die Klosterschule von einem Tag auf den andern auf, um im Kloster ein Jagdzentrum einrichten zu können. Die Klosterschüler siedelten mit ihren Lehrern nach Maulbronn über und zurück blieben die nun arbeitslosen Dorfbewohner, die Offizianten. Viele von ihnen verließen das Dorf und die Einwohnerzahl reduzierte sich binnen weniger Jahre um ein Drittel.

Glücklicherweise wurden in dieser Zeit die Waldungen des Schönbuchs einer einheitlichen Forstverwaltung unterstellt und wurde Bebenhausen Sitz eines Oberforstamts, das große Gebiete des Schönbuchs und Teile des Rammerts umfasste. So fand wenigstens ein Teil der im Dorf verbliebenen Bewohner wieder Arbeit.

Schließlich bot der Staat den im Dorf verbliebenen Familien ihre Häuser, in denen sie wohnten, zum Kauf an. Siebzehn Familien nahmen dieses Angebot an und gründeten 1823 eine bürgerliche Gemeinde. Ihr schloss sich 1830 der Weiler Waldhausen an, der bis zu seiner Eingemeindung nach Tübingen im Jahr 1935 Ortsteil der Gemeinde Bebenhausen war.

Nach sehr schwierigen Anfangsjahren besserte sich die Lage der Dorfbewohner vor allem durch den Bau einer neuen Straße, der heutigen Landesstraße 1208, in den Jahren 1841/45. Nun führte durch den bisher in einem engen Waldtal abgelegenen Ort eine wichtige Durchgangsstraße Richtung Schweiz. Neue Bewohner kamen ins Dorf, darunter erstmals einer mit der Berufsbezeichnung „Bauer“.


Das Zuhause von Majestäten und Hoheiten

Das Kloster wird Schloss der Könige von Württemberg

Ein Glücksfall für das Dorf war die Entscheidung König Karls von Württemberg, das Kloster restaurieren zu lassen und Teile davon als Jagdschloss zu nutzen. Mit den Arbeiten wurde 1868 begonnen. Neben Handwerkern aus dem Dorf beteiligten sich an den umfangreichen Restaurierungsarbeiten, die über zwanzig Jahre dauern sollten, vor allem Handwerker von außerhalb, die sich teilweise in Bebenhausen niederließen und deren Nachfahren bis heute hier wohnen.

Der Ort wurde zu einem beliebten Ausflugsziel. Die Gasthöfe, die alle bisher ums Überleben zu kämpfen hatten, wurden aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt und stellten  jetzt Arbeitskräfte auch aus den umliegenden Orten ein. Nicht wenige von diesen heirateten Dorfbewohner und wurden hier ansässig.

Nach der Abdankung König Wilhelms II. im November 1918 wählten er und seine Gattin Bebenhausen als Wohnort. Als „Herzog und Herzogin zu Württemberg“ waren sie nun Bürger von Bebenhausen. Aus Stuttgart brachten sie Hofangestellte mit, die teilweise hier ansässig wurden.

Obwohl Herzogin Charlotte nach dem Tod ihres Gatten 1921 komfortablere Wohnsitze angeboten worden waren, wählte sie Bebenhausen als Witwensitz und lebte hier als beliebte und verehrte Mitbürgerin bis zu ihrem Tod im Jahr 1946. Auch Nachfahren ihrer Angestellten wohnen noch im Dorf.

 


Ein beliebter Wohnort

Das Klosterdorf wird zur Wohngemeinde

Nicht zuletzt als Sitz des Landtags von Württemberg-Hohenzollern und durch die Ansiedlung von Behörden, vor allem der Forstverwaltung, in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich das längst eher bäuerlich geprägte Dorf nun zu einer Wohngemeinde, deren besondere Wohnlage sehr begehrt ist. Es setzte eine größere Bautätigkeit ein, und trotz der für den Ort geltenden strengen Bauvorschriften hat sich die Zahl der Häuser inzwischen nahezu verdoppelt. Die Einwohnerzahl, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg auf 440 erhöht hatte, liegt heute mit etwa 320 Einwohnern allerdings nur unwesentlich über der von 1885 mit 279 Einwohnern.

Als Folge der knappen Bau- und Wohnmöglichkeiten im Dorf verteuerte sich der Wohnraum und dadurch wiederum veränderte sich die Alters- und Sozialstruktur in einem größeren Ausmaß als anderswo. Junge Dorfbewohner ziehen weg und bauen ihr Haus in einer der umliegenden Gemeinden. Diese Entwicklung hat zur Folge, dass heute nur noch gut 10 % der Dorfbewohner Nachfahren der Klosteroffizianten, der Gründungsväter des Dorfes, sind, während es um 1950 noch 30 % waren. Auch eine Folge dieser Entwicklung ist die vergleichsweise  hohe Einwohnerfluktuation vor allem in den vergangenen Jahren. So zogen über 25 % der heutigen Bewohner nach dem Jahr 2000 ins Dorf. Die Einwohnerschaft von heute setzt sich derzeit wie folgt zusammen:

Nachfahren von Familien, die vor 1695 ins Dorf kamen und 1823 die Bürgerliche Gemeinde Bebenhausen gründeten:
Geschätzt 38

Nachfahren von Familien, die zwischen 1823 und 1900 ins Dorf kamen:
Geschätzt 48

Nachfahren von Familien, die zwischen 1901 und 1945 ins Dorf kamen:
Geschätzt 19

Familien und deren Nachfahren, die zwischen 1946 und 2000 ins Dorf kamen:
Geschätzt 114

Zugezogene Dorfbewohner ab 2001:
Geschätzt 94

Insgesamt 313

Die angenommene Fehlerquote dürfte bei maximal 3 % liegen.

Hans Haug

Quellenangabe 1)

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