Aus der Geschichte der
evangelischen Kirchengemeinde Bebenhausen

Mit der Einführung der Reformation in Würt­temberg (1534) wurde die Zisterzienserkloster­kirche Bebenhausen, wie die übrigen Klosterkir­chen im Herzogtum Württemberg, ausschließlich für den evangelischen Gottesdienst bestimmt. Da in Bebenhausen eine Klosterschule eingerichtet wurde, die von 1556 bis 1807 bestand, bildete sich in Bebenhausen in dieser Zeit eine evangelische »Klostergemeinde«. Diese umfasste die Schüler des Seminars sowie die Familien des Schulvorstehers (Prälat/ev. Abt), der Lehrer (Prä­zeptoren) und des Klosterverwalters.

Die ehemalige Klosterkirche erfüllte aber von Anfang an über diese Funktion als Semi­narkirche hinaus auch die einer Pfarrkirche für die übrigen Bewohner des kleinen Orts, der sich schon zur Zeit der Zisterzienser um das Klos­ter gebildet hatte. Diese Dorfbewohner waren in der Regel »Offizianten«, d.h. als Handwerker und Dienstboten für den Selbstversorgerbetrieb der Klosterschule tätig. Etwa 10 0/0 der heuti­gen Einwohner Bebenhausens sind Nachfahren dieser »Klosteroffizianten«. Der Gottesdienst in der Klosterkirche wurde in der Regel vom Prä­laten selbst, oder, da dieser als Generalsuperintendent häufig zu Visitationen auswärts weilte, öfter noch von einem der Präzeptoren, die auch ausnahmslos Theologen waren, gehalten.

Mit der Einrichtung eines »Klostervikariats« Ende des 18. Jahrhunderts bekamen die dama­ligen Bewohner sogar bis zur Aufhebung der Klosterschule 1807 für kurze Zeit sozusagen ei­nen eigenen Ortspfarrer. Nach der Verlegung der Klosterschule im Jahr 1807 nach Maulbronn ver­blieben die meisten »Klosteroffizianten« am Ort und nutzten als Filialgemeinde von Lustnau die Klosterkirche als Gottesdienstraum völlig selbst­verständlich weiter. Als dann im Jahr 1823 die selbständige Gemeinde Bebenhausen gegrün­det wurde, geht deren »Gründungsurkunde«, als welche der Kaufvertrag von 1823 gilt, von dieser bisherigen Nutzung der Klosterkirche auch für die neu entstandene Gemeinde aus.

  Klosterkirche 1955

In der jungen Kirchengemeinde, die wei­terhin parochiall  von Lustnau aus betreut wurde, aber jetzt nicht mehr nur als »Pfarrfilial«, bestand von Anfang an der Wunsch nach einem eigenen Seelsorger, denn Gottesdienste fanden nur alle vierzehn Tage statt. Das Königliche Evangelische Konsistorium lehnte jedoch be­reits 1830 den Antrag der Gemeinde auf Wieder­einrichtung eines Pfarrvikariats in Bebenhausen ab, denn es »sey für die religiösen Bedürfnisse der aus 130 Einwohnern bestehenden Gemeinde hinlänglich gesorgt, da diese ohnehin nicht imstande sey, den zur Unterhaltung eines Pfarr­Vikars erforderlichen Beytrag zu leisten«. Auch weitere gleich lautende Anträge wurden immer wieder abgeleht.

Irgendeine Änderung des im Gemeinde­vertrag 1823 festgelegten Zustands ist auch in dem »Ausscheidungsvertrag« von 1891, nach Trennung der Kirchengemeinde von der bürgerlichen Gemeinde, nicht erkennbar, und so gehen auch spätere Verträge zwischen den beteiligten Institutionen Land, bürgerliche Ge­meinde (seit 1974 deren Rechtsnachfolgerin Stadt Tübingen) und Kirchengemeinde stets ganz selbstverständlich auch von dieser längst gewohnheitsrechtlichen Situation aus. Selbst als die ehemalige Klosterkirche Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem unter König Wilhelm II. und Königin Charlotte zeit­weise eine Art Zusatzfunktion als Hofkirche bekam, schlug sich dies nicht in einer speziel­len Nutzung, sondern nur in der zeitweiligen Bezeichnung »Schlosskirche« nieder.

Aufgrund der geschichtlichen Entwicklung, vor allem seit der Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts, stellen sich die Rechts- und Eigentumsverhältnisse der Klosterkirche heute etwas kompliziert dar.

Eigentümer ist wie bei fast allen ehemaligen Klosterkirchen das Land Baden-Württemberg, das auch den baulichen Unterhalt zu bestreitenhat. Das ausschließliche Nutzungsrecht wird aber uneingeschränkt von der evangelischen Kirchengemeinde wahrgenommen. Ein Beben­häuser »Sonderfall« sind schließlich die vier Glocken: Sie sind 1891 im Besitz der bürger­liehen Gemeinde verblieben, sodass die Stadt Tübingen als ihre Rechtsnachfolgerin heute für Reparatur und Unterhalt zuständig ist. Nicht eindeutig geklärt werden konnte, ob damals auch der Altar und die Kanzel in Gemeindebe­sitz übergegangen waren. Diese sind im »Kauf­brief für die Bebenhäuser-Gemeinde« von 1823 nicht aufgeführt. Doch in der vom Königlichen Kameralamt Lustnau erstellten »Gebäude-Be­schreibung vom Jahr 1830« ist festgehalten: »Der Altar, die Kanzel, die Orgel, die Kirchen­stühle sowie sämtliche übrige Geräthschaften, ist Eigenthum der Gemeinde .

 

 
Abendmahlskanne um 1750
 
Abendmahlskelch und Patene um 1650
 
Taufgeschirr um 1900
 
Wetterhahn 1960

 

Unter den 238 Einwohnern im Jahr 1867 wa­ren lediglich fünf Katholiken. Durch den Zuzug von katholischen Forstbeamten und Angestell­ten des Hofes änderte sich dies zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Eine weitere Veränderung der Bevölkerungsstruktur im Dorf brachte vor allem der Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg mit sich. Von den derzeit 330 Dorfbewohnern gehören knapp 50 % (1988: 66 %) der evangelischen und etwa 13 % (1988: 12 %) der katholischen Kirche an.

Die heutige evangelische Kirchengemeinde Bebenhausen ist nach wie vor eine selbständige Pfarrgemeinde, eine der kleinsten der württembergischen Landeskirche mit eigenem Kirchengemeinderat und eigener Kirchenpflege (Finanzverwaltung), die aber parochial weiter­hin vom Pfarramt Tübingen-Lustnau Nord mitversorgt wird.

Die katholischen Dorfbewohner sind Mit­glied der katholischen Kirchengemeinde St. Pe­trus in Tübingen-Lustnau; für Hochzeiten und Beerdigungen wird jedoch auch ihnen die Klos­terkirche zur Verfügung gestellt.

»Bebenhäuser Dialoge« war der Titel ei­ner 2001 begonnenen und bis 2010 durch­geführten neuen Form der Veranstaltung im Kloster, die vom Evangelischen Kirchenbe­zirk Tübingen, der Evangelischen Kirchenge­meinde Bebenhausen und dem Ortschaftsrat Bebenhausen gemeinsam getragen wurde. Ausgangspunkt für diese Reihe waren Über­legungen, wie das Kloster in seiner Nutzung öffentlich so profiliert werden kann, dass die Ausstrahlung der Räume und ihre Spiritua­lität zum Ausdruck kommen. Dabei ging es nicht um eine Historisierung des Ortes oder um die Wiederaufnahme mönchischer Aus­drucksformen. Vielmehr sollte die klösterliche Spiritualität mit heutiger Welt- und Lebenser­fahrung ins Gespräch kommen.

Die evangelische Kirchengemeinde Bebenhausen ist auch Mitglied in der »Gemeinschaft Evangelischer Zisterzienser-Erben in Deutsch­land« und nimmt mit einer Vertreterin an deren Treffen teil, die in jedem Jahr in einem anderen Zisterzienser-Klosterort stattfinden.

Quellenangabe 1)


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