Das Vaterunser
mit der Auslegung von Martin Luther

Das Vaterunser ist das älteste gemeinsame Gebet von Christinnen und Christen und wird in jedem Gottes­dienst gesprochen. Das Gebet hat Jesus selbst sei­nen Jüngern beigebracht. Es steht im Lukas- und im Matthäus-Evangelium (Lk 11,2-4 und Mt 6,9-13). Für Martin Luther war das Vaterunser das wichtigste Gebet. Er hat es in seinen Katechismen ausgelegt und auch ein Lied dazu geschrieben (EG 344 „Vater unser im Himmelreich“), um es im Glauben der Gemeinde zu verankern.

Im Kleinen Katechismus schreibt Luther über das Vaterunser:

DIE ANREDE Vater unser im Himmel.
Was ist das? Gott will uns damit locken, dass wir glauben sollen, er sei unser rechter Vater und wir seine rechten Kinder, damit wir getrost und mit aller Zuversicht ihn bitten sollen wie die lieben Kinder ihren lieben Vater.

DIE ERSTE BITTE Geheiligt werde dein Name.
Was ist das? Gottes Name ist zwar an sich selbst heilig; aber wir bitten in diesem Gebet, dass er auch bei uns heilig werde. Wie geschieht das? Wo das Wort Gottes lauter und rein gelehrt wird und wir auch heilig, als die Kinder Gottes, danach leben. Dazu hilf uns, lieber Vater im Himmel! Wer aber anders lehrt und lebt, als das Wort Gottes lehrt, der entheiligt unter uns den Namen Gottes. Davor behüte uns, himmlischer Vater!

DIE ZWEITE BITTE Dein Reich komme.
Was ist das? Gottes Reich kommt auch ohne unser Gebet von selbst, aber wir bitten in diesem Gebet, dass es auch zu uns komme. Wie geschieht das? Wenn der himmlische Vater uns seinen Heiligen Geist gibt, dass wir seinem heiligen Wort durch seine Gnade glauben und danach leben, hier zeitlich und dort ewiglich.

DIE DRITTE BITTE Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Was ist das? Gottes guter, gnä­diger Wille geschieht auch ohne unser Gebet; aber wir bitten in diesem Gebet, dass er auch bei uns gesche­he. Wie geschieht das? Wenn Gott allen bösen Rat und Willen bricht und hindert, die uns den Namen Gottes nicht heiligen und sein Reich nicht kommen lassen wollen, wie der Teufel, die Welt und unsres Fleisches Wille; sondern stärkt und behält uns fest in seinem Wort und Glauben bis an unser Ende. Das ist sein gnä­diger, guter Wille.

DIE VIERTE BITTE Unser tägliches Brot gib uns heu­te.
Was ist das? Gott gibt das tägliche Brot auch ohne unsere Bitte allen bösen Menschen; aber wir bitten in diesem Gebet, dass er‘s uns erkennen lasse und wir mit Danksagung empfangen unser tägliches Brot. Was heißt denn tägliches Brot? Alles, was Not tut für Leib und Leben, wie Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut, fromme Eheleute, fromme Kinder, fromme Gehilfen, fromme und treue Ober­herren, gute Regierung, gut Wetter, Friede, Gesund­heit, Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen.

DIE FÜNFTE BITTE Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Was ist das? Wir bitten in diesem Gebet, dass der Vater im Himmel nicht ansehen wolle unsere Sünden und um ihretwillen solche Bitten nicht versagen, denn wir sind dessen nicht wert, was wir bitten, haben’s auch nicht verdient; sondern er wolle es uns alles aus Gnaden geben, obwohl wir täglich viel sündigen und nichts als Strafe verdienen. So wollen wir wiederum auch herz­lich vergeben und gerne wohl tun denen, die sich an uns versündigen.

DIE SECHSTE BITTE Und führe uns nicht in Ver­suchung.
Was ist das? Gott versucht zwar niemand; aber wir bitten in diesem Gebet, dass uns Gott behüte und erhalte, damit uns der Teufel, die Welt und unser Fleisch nicht betrüge und verführe in Missglauben, Verzweiflung und andere große Schande und Laster; und wenn wir damit angefochten würden, dass wir doch endlich gewinnen und den Sieg behalten.

DIE SIEBENTE BITTE Sondern erlöse uns von dem Bösen.
Was ist das? Wir bitten in diesem Gebet, dass uns der Vater im Himmel vom Bösen und allem Übel an Leib und Seele, Gut und Ehre erlöse und zuletzt, wenn unser Stündlein kommt, ein seliges Ende beschere und mit Gnaden von diesem Jammertal zu sich nehme in den Himmel.

DER BESCHLUSS
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewig­keit.
Amen.

Was heißt Amen? Dass ich soll gewiss sein, solche Bitten sind dem Vater im Him­mel angenehm und werden erhört. Denn er selbst hat uns geboten, so zu beten, und verheißen, dass er uns erhören will. Amen, Amen, das heißt: Ja, ja, so soll es geschehen.

Zurück zu Archive-Auswahl
Zurück zu Infos V

Zum Seitenanfang