Georg Elser (1903 - 1945)

Im württembergischen Hermaringen 1903 gebo­ren, wächst Georg Elser in Königsbronn auf. Elser ist evangelisch. Von Beruf war er Schreiner. Hand­werklich sehr begabt, legt er Wert auf sorgfältige Arbeit. Elser vermag komplizierteste Gegenstände zu fertigen. Auf seinen Beruf ist er stolz. Sowohl im Berufs- als auch im Privatleben legt er hohen Wert auf Unabhängigkeit. Georg Elser gilt als ein schweigsamer, aber dennoch geselliger Mensch, der gerne musiziert, tanzt und wandert. Seine Freundin Mathilde Niedermann bringt 1930 den einzigen Sohn Elsers, Manfred, zur Welt. Georg Elser steht der NS-Politik von Anfang an äußerst kritisch gegenüber. Elser ahnt, dass „ein Krieg unvermeid­lich ist“. Im Herbst 1938 entschließt er sich, die nationalsozialistische Füh­rung – Hitler, Goebbels und Göring – zu töten, um – wie er sagte – „einen Krieg zu verhindern“. Am 8. November fährt Elser nach München zum Jahrestag des Hitlerputsches von 1923, der jährlich im dortigen Bürgerbräukeller began­gen wird. Nach Hitlers Rede an diesem Abend ist er fest entschlossen, dort ein Sprengstoffattentat zu wagen. Im Herbst 1938 beginnt Georg Elser systematisch mit der Vorbereitung des Bomben­anschlags. Er wechselt gezielt seinen Arbeitsplatz (u. a. in einem Steinbruch), um Sprengstoff, Zün­der und weitere Materialien entwenden zu können. Gleichzeitig zeichnet Elser die Pläne für seinen Sprengkörper und entwickelt einen Zündmecha­nismus. Ab August 1939 lebt er in München. Elser lässt sich Abend um Abend im Bürgerbräukeller unbemerkt einschließen. In mehr als 30 Nächten zwischen August und November 1939 höhlt er mit einfachsten Werkzeugen knieend die Säule in der Nähe von Hitlers Rednerpult aus, fixiert die Spreng­körper und verfüllt den restlichen Hohlraum zusätz­lich mit Pulver. Seinen komplizierten Zündapparat stellt er auf den Abend des 8. November ein. Uner­wartet spricht Hitler an diesem Jahrestag erheblich kürzer als bei früheren Feiern, weil er unmittelbar danach nach Berlin zurückkehren muss. Nach dem Ende seiner Rede gegen 21.07 Uhr verlässt Hitler daher wesentlich früher als sonst mit anderen hohen NS-Führern den Raum. Gegen 21.20 Uhr explo­diert der Sprengkörper. Dort, wo Hitlers Rednerpult stand, befindet sich ein meterhoher Schutthaufen. Mehrere Menschen kommen ums Leben. Etliche sind schwerverletzt. Georg Elser hat sein Ziel nicht erreicht.

Georg Elser wird zeitgleich auf seiner Flucht an der Schweizer Grenze verhaftet. Seine Knie sind verräterisch entzündet. Nach tagelangen Verhören gesteht Elser seine Tat. Aus den Verhörprotokollen geht hervor, dass Elser selbst diese Tat vor seinem Gewissen als Christ verantwortete: „Ich wollte ein noch größeres Blutvergießen verhindern.“ Ob ihm die Zweideutigkeit seiner Tat bewusst war, lässt sich nicht sagen. Elser gehörte weder der intellektuel­len, wirtschaftlichen noch militärischen Elite an; er war schlichtweg ein „ganz normaler Mensch“. Im Gegensatz zu anderen Regimegegnern wird Elser nicht unmittelbar exekutiert, weil die Nazis nicht glaubten, dass ein normaler Mensch, ein einzelner Handwerker, so etwas tun kann. Deshalb wird Elser jah­relang verhört. Noch lange nach 1945 wurde Elsers Handeln verschiedensten Auftraggebern zugeordnet. Heute kann Elsers Alleintäterschaft und seine gewis­sensgeleitete Motivation nicht mehr ange­zweifelt werden. Wenige Wochen vor Kriegsende am 9. April 1945 wird er im Konzentrationslager Dachau ermordet. Georg Elser wollte einen Tyrannen töten und nahm dabei Unschuldigen das Leben. Ist dies ein Vorbild? Vor einigen Jahren pflegte man Vorbil­der noch „Idole“ zu nennen. Diese Bezeichnung des Vorbildes als Idol schärft den Blick dafür, dass es alles andere als unproblematisch ist, wenn Chris­ten sich ein Vorbild wählen. Die Verehrung des Idols, die „Idolatrie“, also der Götzendienst, ist das, was in den Zehn Geboten durch das Bilderver­bot umrissen ist. Ist es Götzendienst, wenn ich ein Vorbild habe? Paulus betont daher, dass das einzige „Vorbild“ Christus selbst sein kann (1.Tim 1,16; 1. Kor 11,1). Jesus als Vorbild zu haben, kann mit Paulus nur bedeuten „christusförmig“ zu wer­den, nämlich sich selbst „in Demut“ zu betrachten (Phil 2,3-5), also sich ein Leben lang über die Frag­würdigkeit, Uneindeutigkeit und Zwiespältigkeit des eigenen Tun und Lassens zu verständigen. Diese Art der Nachfolge verbindet sich mit der urevange­lischen Überzeugung, dass kein Mensch vorbildlich sein kann, denn: „Da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer“ (Röm 3,12). Vorbilder kann es daher nicht geben. Dennoch gibt es Menschen, deren Leben zum Nachdenken führt, deren Verhalten irri­tiert, aufschreckt und fasziniert.

Georg Elser ist für mich kein Vorbild. Menschen zu töten ist nicht vorbildlich. Aber es gibt etwas an ihm, das mich immer wieder irritiert, aufschreckt und fas­ziniert, nämlich die Eigenständigkeit, die Entschlos­senheit und der Mut, mit dem er ganz allein seinem Gewissen gegen den Strom seiner Zeit folgte.

Dr. Joachim Bayer

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