Rund um die Fastenzeit

Früher hatte man es als Protestant einfacher: Die Fastenzeit galt nur für Katholiken, und der einzi­ge Tag, an dem bei uns zu Hause im Prinzip kein Fleisch gegessen wurde, war Karfreitag. Das heißt, es gab an diesem Tag immer zum Mittagessen Maul­taschen und zum Abendessen Käse – also im Prinzip kein Fleisch, zumindest keines, das man sieht.

Angeblich geht diese schwäbische Sitte ja darauf zurück, dass die Zisterzienser im Kloster Maul­bronn irgendwann während der Fastenzeit ein Stück Fleisch geschenkt bekamen. Mangels einer Tief­kühltruhe mussten sie sich etwas einfallen lassen, sollte es nicht verderben. Also hackten sie es klein, mischten es mit Kräutern und versteckten diese eher wie Gemüse aussehende Masse in Teigtaschen.

Aber auch sonst war man immer sehr erfinderisch darin, Fastengebote zu umgehen. Verboten waren in der Fastenzeit Fleisch, Wein, Eier und Milchproduk­te. Im Mittelalter sollte man sogar außer drei Bissen Brot und drei Schluck Bier oder Wasser gar nichts zu sich nehmen. Angesichts solcher Gebote war es angebracht, sich etwas einfallen zu lassen, wollte man Ostern noch erleben.

Allseits bekannt ist das berühmte Starkbier bayri­scher Mönche, das über die Fastenzeit hinwegtröste­te – getreu dem Motto: Flüssiges bricht Fasten nicht. Besonders fantasievoll war man aber darin, das Fleischverbot zu umgehen. In alten Klosterkoch­büchern sollen sich erstaunlich viele Biberrezepte finden. Hungrige Christen erklärten ihn aufgrund seiner Lebensweise und des schuppigen Schwanzes einfach zum Fisch. Selbst Otter und Dachse sol­len manchmal als Fische durchgegangen sein. Und Rehe wurden sogar dadurch zu Fischen, dass man das Rehfleisch pürierte und in Fischformen presste, wodurch es zur legitimen Fastenspeise wurde.

Die Länge der Fastenzeit geht zurück auf die in der Bibel erwähnten 40-tägigen Fastenzeiten von Jesus, Moses und Elias. So mancher mag sich jetzt den­ken: Okay, Rechnen scheint nicht zu den Stärken der katholischen Kirche gehört zu haben – zumin­dest nicht im 7. Jahrhundert, als sich die Fastenzeit allgemein von Rom aus durchzusetzen begann. Aber bei der traditionellen Fastenzeit werden die Sonn­tage nicht mitgezählt, denn an diesen gilt kein Fas­tengebot. Doch wie kommt die evangelische Kirche auf „7 Wochen ohne“? Irgendwie passen Theologie und Mathematik anscheinend nicht zusammen. Egal wie oft man nachzählt, es sind immer nur 46 Tage von Aschermittwoch bis Ostersonntag – sieben mal sieben gleich 46?

Luther betrachtete das Fasten weder als besonders wichtig noch als besonders fromm. Vielmehr sah er darin die Gefahr, Gott gefallen zu wollen. Rechtes christliches Fasten war für ihn allgemeines Maßhal­ten beim Essen, Trinken und Kleiden. In Zürich wur­de im März 1522 demonstrativ durch den Verzehr von Würsten gegen das Fastengebot verstoßen, was als Auslöser der dortigen Reformation gilt und vom Rat der Stadt gerichtlich verfolgt wurde. Zwingli thematisierte das Fasten kurz darauf in einer Predigt als ein menschliches Gebot, dem nicht unbedingt Gehorsam geleistet werden müsse. Für Luther und für Zwingli galt: „Der Mensch darf jederzeit jegli­che Speise essen.“

Erst seit Mitte der 1980er Jahre begann sich das Fas­ten in der evangelischen Kirche durchzusetzen – in Form des Verzichts auf liebgewonnene Gewohn­heiten wie gut essen, rauchen, Alkohol trinken oder Fernsehen schauen. Findige Schüler sollen auch schon vorgeschlagen haben, man könne doch auch mal in puncto Hausaufgabe oder Schule Verzicht üben.

coe

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