Von der Klosterkirche der Zisterzienser
zur evangelischen Gemeindekirche von Bebenhausen

Mit der Einführung der Reformation in Württemberg im 16. Jahrhundert ist auch die Zisterzienserklosterkirche von Bebenhausen wie die übrigen Klosterkirchen des Herzogtums Württemberg (Maulbronn, Denkendorf, Alpirsbach usw.) ausschließlich für den evangelischen Gottesdienst bestimmt worden, welcher seitdem hier auch (mit einer Unterbrechung während des Dreißigjährigen Krieges: Rekatholisierung durch Salemer Zisterzienser) regelmäßig bis in die unmittelbare Gegenwart stattgefunden hat und stattfindet.

Da in Bebenhausen wie anderswo (Maulbronn, Denkendorf, Blaubeuren usw.) in den Räumen des Klosters eine evangelische Klosterschule eingerichtet wurde, die von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Jahr 1807 hier bestand, bildete sich in Bebenhausen in dieser Zeit eine evangelische „Klostergemeinde“. Diese umfaßte die Schüler des Seminars einerseits, sowie die Familien des Schulvorstehers (evangelischer Abt/Prälat), der Lehrer (Präzeptoren) und des (im Klosterhof in Lustnau ansässigen) Klosterverwalters andererseits.

Die ehemalige Klosterkirche erfüllte aber von Anfang an über diese Funktion als Seminarkirche hinaus auch die einer normalen Pfarrkirche für die übrigen Bewohner des kleinen Orts, der sich schon in der Zeit der Zisterzienser um das Kloster gebildet hatte. Diese Dorfbewohner waren in der Regel „Offizianten“, d.h. als Handwerker und Dienstboten für den Selbstversorgerbetrieb des Seminars tätig. Etwa 16 % der heutigen Einwohner Bebenhausens sind Nachfahren dieser „Klosteroffizianten“. Der Begriff „Klostergemeinde“ ist belegt durch sogenannte „Kommunikantenbücher“ (Verzeichnisse der Abendmahlgeräte) des 18. Jahrhunderts und Inschriften auf den in der Sakristei aufbewahrten Kannen für den Abendmahlswein. Kurz vor dem Ende der Klosterschulzeit erlebte diese Klostergemeinde durch die Anstellung eines „Klostervikars“ (1791 bis 1811) schließlich noch eine Art Vorstufe zur selbständigen Kirchengemeinde.

Nach der Verlegung der Klosterschule im Jahr 1807 nach Maulbronn verblieben die meisten „Klosteroffizianten“ am Ort und nutzten als Filialgemeinde von Lustnau die Klosterkirche als Gottesdienstraum völlig selbstverständlich weiter. Als dann im Jahr 1823 die selbständige Gemeinde Bebenhausen gegründet werden konnte, geht deren „Gründungsurkunde“, als welcher der Kaufvertrag von 1823 gilt, in § 4 „Regelung der Kult- und Schulkosten“ ganz selbstverständlich von dieser traditionellen Nutzung auch für die neu entstandene Gemeinde aus:

§ 4 Kult- und Schulkosten
Die Kirchen-Uhr, die Glocken samt Gestelle und Seiler, die Kirchen-Orgel und sämtliche Kirchen und Schulgerätschaften gehen in das Eigentum der Gemeinde über, welche dieselben künftig zu unterhalten, überhaupt alle Erfordernisse für den Gottesdienst und die Schule zu bestreiten, mithin namentlich auch den Nachtsmahlswein anzuschaffen, den Orgeltreter (damals „Kalkant“ genannt) zu belohnen und die Schulprämien abzureichen hat. Nur der Gehalt des Pfarr-Vikars, die Besoldung des Schulmeisters mit dessen Stelle die des Organisten und nach dem Ableben des gegenwärtig angestellten Messners auch die Messnerei mit dem bisherigen Gehalte dieser Stellen für immer vereinigt wird, ferner die Anschaffung des Holzes zur Heizung der Schule, die Unterhaltung des Schulhauses mit der Wohnung des Lehrers und eines Lokals für den Pfarr-Vikar, auch die Unterhaltung des Kirchgebäudes samt dem Turm bleibt Obliegenheit der Finanz-Kammer. Wenn aber die Gemeinde die Schulstube zugleich als Winterkirch benützen will, so hat sie das für diesen Gebrauch erforderliche Brennholz selbst anzuschaffen. Das Recht zur Ernennung des Schullehrers bleibt dem K. Konsistorium vorbehalten.

Irgendeine Änderung dieses Zustands ist auch in dem „Ausscheidungsvertrag“ vom 26. September 1891 (nach Trennung der Kirchengemeinde von der bürgerlichen Gemeinde) nicht erkennbar, und so gehen auch spätere Verträge zwischen den beteiligten Institutionen Land, bürgerliche Gemeinde (und seit 1974 deren Rechtsnachfolgerin Stadt Tübingen) und Kirchengemeinde stets ganz selbstverständlich von dieser längst gewohnheitsrechtlichen Situation aus. Selbst als die ehemalige Klosterkirche Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts zeitweise eine Art Zusatzfunktion als Hofkirche bekam (vor allem unter Württembergs letztem König Wilhelm II., der die Klosteranlage als Jagdschloß nutzte), schlug sich dies nicht in einer speziellen Nutzung, sondern nur in der zeitweiligen Bezeichnung „Schloßkirche“ nieder.

So war auch die vom Kirchengemeinderat zu Beginn des 20. Jahrhunderts geäußerte Befürchtung einer Rekatholisierung des Gotteshauses unbegründet: Der damalige Thronfolger Herzog Albrecht von Württemberg dachte, obwohl überzeugter Katholik, sicher nicht daran, unsere Kirche der hiesigen Gemeinde zu entziehen, zumal dies auch im Rahmen der damals längst konstitutionellen Monarchie im Land rechtlich nicht ganz einfach gewesen wäre. Aufgrund der geschichtlichen Entwicklung vor allem seit der Säkularisation (Verstaatlichung des Kirchenguts) zu Beginn des 19. Jahrhunderts stellen sich die Rechts-und Eigentumsverhältnisse der Klosterkirche etwas kompliziert dar: Eigentümer ist wie bei fast allen ehemaligen Klosterkirchen (auch den großen katholischen Barockanlagen wie Zwiefalten, Weingarten, Ochsenhausen usw.) das Land Baden-Württemberg, das auch den baulichen Unterhalt zu bestreiten hat. Das ausschließliche Nutzungsrecht (und damit praktisch die Eigentümerrechte) wird aber uneingeschränkt von der evangelischen Kirchengemeinde wahrgenommen. Ein diesbezügliches Rechtsgutachten des Evangelischen Oberkirchenrats aus dem Jahr 2002 ist vom Land juristisch voll bestätigt worden. Ein Bebenhäuser „Sonderfall“ sind aber schließlich unsere vier Glocken: Sie sind im „Ausscheidungsvertrag“ von 1891 im Besitz der bürgerlichen Gemeinde verblieben, so daß die Stadt Tübingen als ihre Rechtsnachfolgerin heute hier für Unterhalt und Reparatur zuständig ist. Dasselbe gilt übrigens noch für die Kirchenheizung; hier ist gegenwärtig aber eine Neuregelung in Vorbereitung, die der zur Zeit ja ziemlich prekären finanziellen Lage der Stadt Entlastung verspricht.

Christof Tränkle

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